Nein zu 1:12

Nein zu 1:12. Gastbeitrag in der bz Basel vom 8. November 2013
Gastbeitrag bz Basel 8-11-2013 S23.pdf
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Tatsächlich, da ist etwas aus dem Lot geraten. Die hohen Millionensaläre einzelner Manager und Banker sind stossend. Dennoch, ich bin dezidiert gegen die 1:12 Initiative, aus vielen Gründen. Zuerst grundsätzlich: Es ist nicht unser Geld, es gehört nicht der Allgemeinheit, es wird niemandem gestohlen, niemand wird geschädigt oder benachteiligt. Das Geld gehört den Aktionären, oder den Lohnbezügern selbst. Oder erheben Sie persönlich ernsthaft Anspruch auf Roger Federers Millionenverdienst? Mit welchem Recht?

 

Die relativ breite Sympathie für diese im Kern sozialistische Idee kommt aus einer berechtigten dreifachen Empörung. Zum einen bewegen sich einige Manager wie auch gewisse Kreise von Sportlern und Künstlern in Welten mit eigenen Salärgesetzen. Man mag das moralisch verwerflich finden, aber 1:12 wird nichts daran ändern, die Umgehungsmöglichkeiten sind in der globalen Wirtschaft mannigfaltig und völlig legal. Zum anderen die Empörung über die Saläre und Boni der Absturz-Banker. Das Thema muss man noch schärfer als schon getan angehen, Banken müssen Konkurs gehen können. 1:12 ist zur Lösung aber völlig ungeeignet. Schliesslich wird ins Feld geführt, es sei ungerecht, dass auf der einen Seite Leute Millionen an Salär beziehen, während andere von ihrem Gehalt nicht leben können. Die Diskussion kann man führen, aber nicht mit der 1:12-Initiative. Die tiefen Löhne würden sicher nicht angehoben, das zu glauben wäre naiv.

 

Wir können über eine stärkere Hochlohnbesteuerung, über mehr Bankenregulierung oder einen Mindestlohn diskutieren, aber doch nicht über ein Verbot hoher Einkommen, das macht keinen Sinn. Die Initianten lösen also die Ursache der berechtigten Empörung nicht. Sie tun aber etwas anderes ganz gekonnt: Sie bewirtschaften die Emotion der Empörung. In bestem populistischem Stil, den wir sonst von den SVP Ausländer- und EU-Kampagnen gewohnt sind, schürt und bewirtschaftet die Initiative Volkes Gefühle gegen die da oben, diesmal gegen die Reichen und „die Abzocker“. Haben Sie die Flyer gesehen mit den gierigen Händen der „Abzocker“, die nach „unserem“ Geld greifen? Genau wie damals die SVP mit den gierigen Händen der „Ausländer“, die nach „unserem“ Schweizer Pass greifen. Die Linke kopiert den Politstil der Rechtspopulisten und führt uns in eine soziale Kultur des Klassenkampfes. Wollen wir das? Also ich nicht.

 

Abgesehen davon würde eine Annahme der Initiative konkreten Schaden anrichten. Der Umfang des finanziellen Schadens in den Staatshaushalten und den Sozialwerken ist umstritten aber sicher nicht unerheblich. Vor allem aber wird ein Grundrecht unserer freiheitlichen Rechtsordnung angegriffen: Die Vertragsfreiheit. Erwachsene mündige Menschen können in der Schweiz frei eine Abmachung treffen, so lange sie keine Drittpartei schädigen. Dieser Grundpfeiler der Freiheit darf nicht einfach der durchaus berechtigten Empörung über einige wenige Millionenbezüger geopfert werden.

 

Einzelne Saläre sind aus dem Lot geraten fürwahr. Dennoch lehne ich die völlig untaugliche und populistische 1:12-Initiative ab, auch wenn ich genau so über die verantwortungslosen „Abzocker“ empört bin. Aber ich lasse diesmal nur den Kopf entscheiden, nicht den Bauch. Denn ein solcher Empörungsentscheid würde massiv zu viel Schaden an Gesellschaft, Staat, Sozialwerken und Wirtschaft anrichten.